Songlines
ein Ausstellungsprojekt
Ausstellung Songlines. Kathleen Jahn
Kunsthalle Göppingen, Marstallstr. 55, 73033 Göppingen
25.05.2021 bis 15.08.2021
www.kunsthalle-goeppingen.de
Die Ausstellung „Songlines“ webt ein Netz inhaltlicher Bezüge und lässt in der Kunsthalle Göppingen eine „Melodie der Bewegung“ entstehen. „Unterwegs sein zu fremden Orten“ durchzieht als durchgängiges Motiv die Ausstellungshalle. Der Rhythmus als Bewegungsart ist hier nur unterwegs heimisch.
Drei musikalische Tempobezeichnungen – adagio, andante und allegro – lassen die wandgroßen Fotosequenzen „Songlines“ zur fotografischen Bildpartitur werden. Die monochromen Fotografien natürlicher Spuren und Linien im Gras können als musikalische Spur gelesen werden. Sie vermitteln eine musikalische Empfindung. Räumliche Strukturen erfahren eine Übersetzung in klangliche.
Für die nomadischen Wanderungen der australischen Ureinwohner bildet der Gesang, die Songline, eine Art Landkarte. Stimmt das „Innen“ mit dem „Außen“ überein, also der menschliche Gesang mit der Landschaftsformation, befinden sich die Dahinziehenden auf dem richtigen Weg. Es entsteht eine Übereinstimmung der Wirklichkeit der Natur mit ihrem Abbild, dem Lied.
Gesang ist eine zentrale Ausdrucksform aller historischer und gegenwärtiger Kulturen. Er erzählt viel über den Menschen und ist mit dessen Leben aufs engste verknüpft. Das populäre Lied kann Menschengruppen in einen Gleichklang versetzen und sie gemeinsamen Zielen zuführen.
Eine Tonaufnahme durchdringt die Ausstellungshalle. Es sind Lärm und Geräusche eines Stadtalltags in Kombination mit der Taktung eines Metronoms, aufgenommen in den Räumen des Haus Illig, der städtischen Musikschule in Göppingen. „Komm ich zeig Dir meine Stadt – andante, largo, presto, andante, adagio – allegro, adagio, andante““ ist ein eindringliches Geräuschbild einer gehetzten Gesellschaft, die sich nicht in organischen Rhythmen, sondern in starrer Taktung zu bewegen hat. Einen kurzen Moment ertönt aus einem an der Ampel stehenden Fahrzeug die Melodie „Komm ich zeig Dir meine Stadt…“, eine Zeile aus einem Song des Rappers King Khalil.
„Komm ich zeig Dir meine Stadt –
andante, largo, presto, andante. adagio
„Komm ich zeig Dir meine Stadt –
allegro, adagio, andante“
Die Konfrontation eines naturverbundenen, rhythmischen Lebens mit dem in einer Taktung sich befindenden Daseins erfährt noch mehrfach eine Bearbeitung in der Ausstellung.
So auch in „120 Lieder“, einem Objekt im Raum, das 120 Bücher auf Tischen vereint. Um in ihnen „lesen“ zu können, sollte man sie ergreifen, sie öffnen, erst dann erschließen sie sich. Sie beinhalten Fotografien, zu Serien angeordnet, von Orten berichtend. Doch trotz dokumentarischer s/w Fotografie entsteht ein poetischer Raum der Ortlosigkeit, eine Erzählung, vielleicht sogar ein Gedicht, welches wiederum auch ein Lied sein kann.
Die Bilder wurden gefunden bei Wanderungen, auf Reisen. Eine große Songline sollte entstehen und sie sollte weltumspannend werden: von USA über Europa nach Asien.
Doch die Reise musste aufgrund der Pandemie vorzeitig abgebrochen werden, eine veränderte Beziehung zu Distanzen entwickelte sich, eine andere Songline formierte sich: das Erwandern der Wasserscheide auf der Schwäbischen Alb.
Das Gehen auf und entlang eines Teilstücks der Europäischen Wasserscheide wurde zu einem ästhetisch forschenden Prozess. Beim Wandern auf dieser kaum wahrnehmbaren und scheinbar nur geologisch relevanten Linie ergab sich das Gefühl einer Teilung des Lebensraums in einem dem Rhein zugehörigen und einem mit der Donau verbundenen. Es entstand ein subjektives Erleben der Landschaft, das in fotografischen Erzählungen seine künstlerische Umsetzung fand und dessen Routen in den hier präsentierten Landkarten nachvollzogen werden können. Sie bilden einen konkreten Gegenpol zur ortlosen und abstrahierten großen „Songline“.
Mit der Arbeit „Die Eltern“ widme ich mich der Biografie meiner Eltern, die Mitte der 50erJahre aus der ehemaligen DDR geflüchtet sind. „Eine Behausung schaffen“ sowie „unterwegs sein und fremde Orte erkunden“ scheinen die zentralen Werte ihres Lebens gewesen zu sein. Die Fotoarbeit verwendet originale, vom Vater erstellte Fotografien sowie Originaldokumente.